Mein Buch Ohne Dach, ohne Ofen, ohne Bett

„Wissen Sie, wovon ich träume? Ich sage Ihnen, wovon ich geträumt hätte: Von einem Haus, von einer lieben Frau. Das geht nicht mehr. Ich habe keinen Job, ich werde nie wieder eine Wohnung finden. Ich bin unheilbar krank. Ich habe keine Zukunft, keine Perspektive, nichts.“

 

Dieses Zitat stammt aus meinem Buch „Ohne Dach, ohne Ofen, ohne Bett“, das im Allitera Verlag erschienen ist. Für dieses Buch war ich mit Skizzenbuch und Bleistift in München unterwegs und habe Obdachlose portraitiert. Während ich zeichnete, erzählten sie mir aus ihrem Leben. Diese Geschichten und Bilder habe ich für das Buch gesammelt.
Hier eine Leseprobe

 

Seit Jahren wünschte ich mir schon, obdachlose Menschen zu zeichnen. Warum? Vielleicht aus Neugier und Mitgefühl. Aber ich wusste nicht, wie ich mit diesen Menschen in Kontakt treten konnte.

Das änderte sich, als ich Felix Leibrock kennenlernte. Er bot mir eine Ausstellung im Evangelischen Bildungswerk (EBW) an, dessen Geschäftsführer er ist. Den Kontakt zu den Obdachlosen würde er mir vermitteln und sie zu Portraitsitzungen ins EBW einladen.

Die Menschen erzählten mir so viel und so gern von sich, dass ich schon nach den ersten Portrait-Terminen nicht mehr wusste, wie ich diese vielen Geschichten in einer Bilder-Ausstellung unterbringen sollte.

Dann machen wir halt ein Buch draus, sagte Felix dass er wüsste ein paar Verlage wüsste, die das eventuell interessierte.

Ein paar Tage später erhielt ich diese Nachricht. Herzklopfen.

 

 

 

Dann ging alles ganz schnell: Vom Autorenvertrag bis zur Abgabe im Verlag hatte ich drei Monate Zeit, alle Bilder und Texte zu erstellen. Länger hätte es auch nicht dauern dürfen, denn die Geschichten gingen mir sehr nah. Dass es so viel Leid gibt in unserer Stadt: Das wusste ich nicht.

 

 

 

Der 1. Lockdown kam und es war nicht mehr möglich, Portraitsitzungen im EBW zu machen. So war ich in der Stadt unterwegs, in den dunklen Ecken, beim Müll … immer auf der Hut, dass ich der Polizei nicht begegnete, weil ich dachte, dass glaubt mir keiner, dass ich hier unter den Sandlern hocke, um ein Buch über sie zu schreiben.

Ich ließ mir ihre Geschichten erzählen und stellte sie im Atelier fertig.

 

 

 

Dieses Bild musste ich aus meiner Vorstellungskraft entstehen lassen: Es zeigt Rudi, der mir von seiner Zeit im Wohnheim erzählte; am Hauptbahnhof, bei einer Currywurst mit Pommes.

 

 

 

Als mein Manuskript vom 1. Korrekturlauf des Verlags zurückkam, begann ein wahres Battle mit der Lektorin. Konjunktiv I, brüllte ich, Konjunktiv II, da Irrealis, gab sie zurück. Um jedes Komma haben wir uns gerauft – bis wir beide zufrieden waren.

Der Andruck kam, ich habe alle Bilder auf meinem Schreibtisch ausgelegt und dann in Photoshop die Grauwerte einstellen usw. Wieder massig Korrekturen an den Texten, und dann … Und dann!

 

 

Und dann lag es endlich in meinen Händen. Gedruckt. Mein erstes eigenes Buch.

Ich war traurig, dass Franz, das Buch nicht mehr sehen konnte: Franz war der erste, den ich für das Buch portraitierte. Jedes Mal, wenn ich an seinem Stammplatz am Isartor vorbeikam, erzählte ich ihm, wie weit ich schon mit dem Buch war. Er hatte sich immer so mit mir gefreut. Aber zwei Wochen vor Erscheinen des Buches war Franz gestorben. Am Isartor, gerade mal 44 Jahre war er geworden. Organversagen.

Ein paar Freudentränchen gab es auch: Es ist nur ein kleines Taschenbuch, was für ein langer Weg für so ein bescheidenes Büchlein. Und doch, welche Freude: So fühlt sich das also an, wenn ein Traum sich erfüllt.